Migros

Behinderte Lehrlinge? Das ist möglich.

Menschen mit Behinderung können durchaus eine Lehre erfolgreich abschliessen. Das zeigt ein Projekt der Migros. Die Lehrlinge sind hoch motiviert und tragen zur Teambildung bei. Der Grossverteiler baut das Projekt nun deutlich aus.

Die Migros Ostschweiz beschreitet in der Arbeitsintegration von Menschen mit Handicap einen neuen Weg. Ab Sommer 2018 werden pro Jahr rund 20 Lehrstellen für Jugendliche mit speziellen Voraussetzungen angeboten. Dabei werden die individuellen Bedürfnisse und Handicaps der Jugendlichen berücksichtigt. «Die Lehrstellen werden nicht auf einen bestimmten Beruf ausgeschrieben», sagt Daniel Färber, Berufsbildungsfachmann bei der Genossenschaft Migros Ostschweiz. Anders als bei klassischen Lehrstellen läuft der Bewerbungsprozess quasi in umgekehrter Reihenfolge ab.

Evaluation der Fähigkeiten

Die Interessierten melden sich bei ihrer IV-Stelle oder einer anderen Partnerorganisation. Wer nicht mit einer IV-Stelle oder Partnerorganisation in Kontakt steht, kann sich auch direkt bei der Migros melden. Nach dem Eingang der Bewerbungen wird evaluiert, welche Fähigkeiten der Bewerber mitbringt. Danach wird mit den Lehrlingsverantwortlichen, unter Berücksichtigung des Handicaps, abgeklärt, ob die Fähigkeiten und Neigungen des Jugendlichen zum gewünschten Lehrberuf passen.

Danach wird geschaut, in welcher Region der Bewerber wohnt und welches Migros-Unternehmen in der Nähe in Frage kommen könnte. «Bei Stellen im Detailhandel ist das relativ einfach, da wir viele Filialen betreiben. Für Ausbildungen im Bereich Logistik oder im Kaufmännischen kommt nur unsere Betriebszentrale in Gossau SG in Frage, da diese Stellen in Gossau angesiedelt sind», erklärt Färber.

Findet man ein geeignetes Berufsprofil, darf der Kandidat im Betrieb schnuppern. «Das kann sich über mehrere Tage oder gar drei Monate erstrecken. So können wir feststellen, ob eine Lehre in Frage kommt oder nicht.» Es sei vor allem wichtig abzuklären, welchen Einfluss das Handicap auf die Berufsausübung habe und ob die Einschränkung überbrückt werden könne.

Zwei Drittel weiterbeschäftigt

Die Migros hat damit gute Erfahrungen gemacht. Denn bereits jetzt befinden sich um die 20 Personen mit Handicap oder Lernschwäche in einer Lehre bei der Migros Ostschweiz. Das Programm werde auf Sommer 2018 ausgebaut. «Ziel ist es, dass pro Jahr rund 20 Menschen mit speziellen Voraussetzungen eine Lehre bei der Migros Ostschweiz absolvieren.» Je zehn mit Handicap und zehn mit Lernschwäche. Zwei Drittel der Lehrlinge will man nach der Lehre in der Migros weiterbeschäftigen. Und das mit guten Grund: «Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Mitarbeitern mit Handicap gemacht. Sie sind sehr loyal dem Unternehmen gegenüber und hoch motiviert. Denn sie freuen sich, dass man ihnen eine Chance gibt und sie arbeiten dürfen.» Zudem arbeiten sie sehr genau, wenn sie einen Ablauf einmal gelernt haben.

Erfolgsquote 100 Prozent

Und ein Blick auf die Genossenschaft Aare, die in den Kantonen Bern und Solothurn Migros-Läden betreibt, zeigt, dass die Lehrlinge erfolgreich sind. «Dort läuft das Projekt schon seit mehreren Jahren. Im Sommer 2016 haben alle 14 Lehrlinge ihre Lehrabschlussprüfungen bestanden», sagt Färber.

Und das seien wohlgemerkt nicht Anlehren, sondern eidgenössische Fähigkeitszeugnisse (EFZ) und eidgenössische Berufsatteste (EBA). «Unsere Lehrlinge mit Handicap oder Lernschwäche besuchen alle ganz normal die Berufsschulen und Fachkurse, wie alle anderen Lehrlinge auch», führt Färber aus. Der entscheidende Unterschied: Die Jugendlichen werden von Jobcoaches betreut, die in enger Begleitung schulische oder andere Schwächen zu kompensieren versuchen. Zudem werden sie im Betrieb von einem Betreuerstaff begleitet. «Wenn ein Jugendlicher die Lehre erfolgreich abschliesst, dann ist das immer auch eine Teamleistung», sagt Färber. Das sei ein weiterer Grund, weshalb es sich für Unternehmen lohne, Menschen mit Behinderung anzustellen und auszubilden. «Wenn man es als Team schafft, einen Schwächeren so zu unterstützen, dass er einen Lehrabschluss schafft, gibt das eine positive Dynamik im Team. Auch zu sehen, dass jemand sehr motiviert an die Arbeit geht, wirkt sich positiv auf den Betrieb aus.»

Begrüssenswertes Angebot

Die IV-Stelle in Liechtenstein wurde von der Migros direkt über das Angebot informiert und begrüsst es. «Wir freuen uns, dass die Migros diese Lehrstellen anbietet», sagt Rainer Kindle, Abteilungsleiter IV bei der Liechtensteinischen AHV-IV-FAK. Da es auch Partnerbetriebe im Land sowie Migros-Filialen jenseits des Rheins gibt, sei das Angebot für Personen mit Handicap aus der Region sehr interessant. «Hoffentlich findet das Angebot Nachahmer», sagt Kindle. Ähnliche Möglichkeiten gebe es nur vereinzelt bei Kleinbetrieben. «Personen mit Handicap haben besondere Bedüfnisse, auf die man als Arbeitgeber eingehen muss. Das gibt einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand, den man auffangen muss.» Da der Konkurrenzkampf in der freien Wirtschaft gross sei, könne nicht jedes Unternehmen auf spezielle Bedürfnisse von Arbeitnehmenden eingehen. «Die Lehrstellen der Migros sind ein super Angebot, das wir genauer verfolgen werden.» Kindle kann sich gut vorstellen, dass die IV Personen aus der Region an die Migros vermitteln werde.

Auch die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen (SVA), deren IV-Stelle die potenziellen Lernenden berät und vermittelt, bewertet die Initiative der Migros positiv. «Es ist vorbildlich, dass die Migros Ostschweiz Ausbildungsplätze für Menschen mit einer gesundheitlichen Einschränkung zur Verfügung stellt. Sie gibt damit jungen Menschen die Chance, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Die IV-Stelle begleitet die Lernenden über die ganze Zeit der Ausbildung und falls nötig auch darüber hinaus. Wir sind von der positiven Signalwirkung auf weitere Ausbildungsbetriebe überzeugt», freut sich Michael Rimle, Leiter Berufliche Integration IV-Stelle SVA St. Gallen.

Vorbereitung auf Arbeitsmarkt

Beim Heilpädagogischen Zentrum des Fürstentums Liechtenstein (HPZ) könnte man sich laut Geschäftsführer Mario Gnägi durchaus vorstellen, dass sich Schulabgänger des HPZ auf eine Lehrstelle bei der Migros bewerben. Das HPZ selber bietet zweijährige Anlehren an, zum Beispiel im Bereich Gastgewerbe. Diese Anlehren können als Vorbereitung auf den «normalen» Arbeitsmarkt dienen oder führen danach zu einer zweijährigen Lehre, die mit einem Berufsattest (EBA) abschliesst.

 

 

Quelle: Liechtensteiner Vaterland

Viele weitere spannende Informationen zu Lehrberufen finden Sie bei mychoice.info!

Tags:
0 shares
Previous Post

Berge versetzen mit Hilti

Next Post

Ist Liechtensteins Berufslehre ein Exportschlager?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert