Nationale und internationale Berufsmeisterschaften
«Berufsmeisterschaften sind eine ideale Plattform»
In verschiedenen Berufen werden jährlich unter den jungen Berufsleuten die besten gekürt. Federführend sind die jeweiligen Organisationen der Arbeitswelt in Zusammenarbeit mit der Stiftung SwissSkills. Während 2017 die Schweizer Delegation an den internationalen Berufsmeisterschaften in Abu Dhabi für grosses Aufsehen sorgte, steht im September 2018 die Durchführung der nationalen Berufsmeisterschaften in Bern im Zentrum. Für Josef Widmer, stellvertretender Direktor des SBFI, ist die Durchführung solcher Wettbewerbe eine hervorragende Gelegenheit, um Jugendlichen und Erwachsenen attraktive Einblicke in die moderne Schweizer Berufsbildung zu geben.
Weshalb lohnt es sich, Berufsmeisterschaften durchzuführen?
Josef Widmer: Berufsmeisterschaften sind eine ideale Plattform, um der breiten Öffentlichkeit die Vorzüge der Berufsbildung zu zeigen. Die Schweiz hat eines der weltbesten Berufsbildungssysteme. Dennoch werden Berufsleute teilweise unterschätzt, und es wird auch verkannt, dass eine solide Berufsausbildung weiterhin eine hervorragende Grundlage für das spätere Berufsleben ist. Junge Leute im Wettbewerb zu sehen, ist die beste Möglichkeit, die Berufsbildung ins «rechte Licht» zu rücken.
An den internationalen Berufsmeisterschaften 2017 in Abu Dhabi hat das Schweizer Team den hervorragenden zweiten Platz erreicht. Hat Sie dies überrascht?
Ehrlich gesagt, ja. Es war überraschend. Unsere Schweizer Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten über sich hinauswachsen und eine Topleistung bieten, um so viele (Gold-)Medaillen zu gewinnen, und den zweiten Platz im Nationenklassement zu erreichen. Es ist ähnlich wie im Spitzensport: Top-Leistungen sind nur möglich, wenn auch die Einstellung und das Mentale stimmen. Für mich war es dieses Mal besonders beeindruckend, wie fokussiert unsere jungen Berufsleute an ihre Aufgaben herangingen und sich auch durch Lärm, Rückschläge und Schwierigkeiten nicht von ihrem Ziel abbringen liessen. Das war einfach phänomenal. Und selbstverständlich war in Abu Dhabi auch ein wenig Glück dabei.
Sagen internationale Berufsmeisterschaften etwas über die Leistungsfähigkeit eines Berufsbildungssystems aus?
In den letzten Jahren haben die internationalen Berufsmeisterschaften ungemein an Bedeutung und Prestige gewonnen. Viele Länder haben es sich auf die Fahne geschrieben, ein möglichst gutes Nationenergebnis zu erzielen, um damit die Leistungsfähigkeit ihres Berufsbildungssystems zu demonstrieren. Allerdings muss man klar sagen, dass es sich um Wettbewerbe unter einzelnen Berufsleuten handelt und nicht um einen Systemvergleich. Auch Länder ohne gutes Berufsbildungssystem schaffen es, einzelne Jugendliche mit gezieltem Training auf einen hohen Leistungsstand zu bringen.
In der Schweiz haben wir ein hervorragendes, breit abgestütztes Berufsbildungssystem. Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bereits auf einem sehr hohen Leistungsniveau. Sie müssen nicht jahrelang auf den Wettkampf hin trainieren, sondern sie haben bereits mit relativ wenig zusätzlichem Training in vielen Berufen eine echte Medaillenchance. Insbesondere sind unsere Chancen immer dann intakt, wenn die konkrete Aufgabenstellung im Voraus nicht bekannt ist. Denn Flexibilität, rasche Anpassungsfähigkeit und neue Lösungen suchen sind Stärken der Schweizer Berufsleute.
Was trägt das SBFI dazu bei, damit Schweizer Berufsleute auch in Zukunft Medaillen gewinnen?
Die Förderung der Berufsmeisterschaften ist uns wichtig. Wir unterstützen dabei die Stiftung Swiss Skills mit namhaften finanziellen Beiträgen. Im Mittelpunkt steht der jährliche Beitrag von knapp 2 Millionen Franken für den Betrieb der Geschäftsstelle. Diese erbringt vielfältige systemische Dienstleistungen und berät beispielsweise die Berufsverbände bei der Konzipierung und Durchführung der Meisterschaften. Ausserdem stellt sie sicher, dass die besten Berufsleute optimal vorbereitet an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können. Weiter unterstützen wir die Durchführung von Swiss Skills Bern 2018 mit rund 9 Millionen Franken. Die Durchführung dieses publikumswirksamen Grossanlasses ist alle vier Jahre vorgesehen. Ausserdem gewähren wir zusätzliche Beiträge an Swiss Skills für die Entschädigung von Fachexpertinnen und -experten sowie für spezielle Anstrengungen in der lateinischen Schweiz.
Nebst dem finanziellen Engagement unterstützen wir die Berufsmeisterschaften ideell und mit persönlichem Einsatz vor Ort. Wir wollen damit vor allem all den Beteiligten, speziell den Berufsverbänden sowie den Fachexpertinnen und -experten, zeigen, dass wir ihr Engagement sehr schätzen. Man darf nicht vergessen: Verbände und Betriebe investieren bedeutende Mittel für die Berufsmeisterschaften. Da ist auch sehr viel Herzblut und Berufsstolz drin. Schliesslich fördern wir ganz allgemein Qualität und Exzellenz in der Ausbildung durch Beratung und Begleitung der Berufsverbände.
Die Ausrichtung internationaler Berufsmeisterschaften in der Schweiz wird öffentlich diskutiert. Welche Haltung vertritt das SBFI?
Wir befürworten grundsätzlich die Austragung der World Skills in der Schweiz. Die Schweiz spielt bei der Organisation World Skills International eine wichtige Rolle und sollte sich irgendwann wieder einmal als Austragungsort für die World Skills zur Verfügung stellen. Wann genau das erfolgt, ist nicht so entscheidend. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass die Austragung solcher internationaler Berufsmeisterschaften heute mit hohen Auflagen verbunden ist und viel Geld kostet. Die Gesamtkosten betragen aktuell zwischen 80 und 100 Millionen Franken. Rund 50-60 Millionen Franken davon muss die Wirtschaft aufbringen, rund 30 bis 40 Millionen Franken die öffentliche Hand. Der Bundesbeitrag darf dabei nicht zu Lasten der ordentlichen Ausgaben des Bundes für die Berufsbildung gehen, sondern muss separat finanziert werden.
Im September 2018 finden in Bern zum zweiten Mal die zentral durchgeführten nationalen Berufsmeisterschaften statt. Lohnt sich ein solcher Grossanlass?
Ja, das lohnt sich auf jeden Fall! Die Erfahrungen aus dem Jahr 2014 sind in die Konzeption von Swiss Skills Bern 2018 eingeflossen. Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen, Betriebe und alle an der Berufsbildung Interessierten können sich auf eine spannende und extrem vielfältige Leistungsschau freuen. Die Breitenwirkung solcher zentral durchgeführter Schweizer Meisterschaften ist im Übrigen sogar grösser als diejenige bei der Austragung von World Skills. Zum einen sind mehr Kandidatinnen und Kandidaten beteiligt, zum andern auch mehr Berufe. So viele verschiedene Berufsdemonstrationen wie im September in Bern sieht man wohl nirgendwo auf der Welt. Bei World Skills Competitions werden bekanntlich nur diejenigen Berufe ausgetragen, die es in einer vergleichbaren Weise in vielen Ländern gibt.
Für Jugendliche, Eltern, aber auch Erwachsene sind die Swiss Skills 2018 eine wunderbare Gelegenheit, die verschiedenen Berufe zu sehen. Viele Personen haben noch ein etwas antiquiertes Bild mancher Berufe. Die Entwicklung in der Arbeitswelt ist jedoch enorm: Die Berufe haben sich sehr stark verändert, nicht nur in ihrem Namen, sondern auch in Inhalt und Anforderungen.
Weitere Informationen: www.swiss-skills.ch
Quelle: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Bern