Kaufleute 2022 – die neue KV Reform

Eine stetige Weiterentwicklung ist in sämtlichen Bereichen des Lebens enorm wichtig, so auch in der Berufsbildung. Ab Sommer 2023 startet die reformierte kaufmännische Grundbildung «Kauffrau/Kaufmann EFZ». Wir von mychoice.info haben die Fakten für Lehrbetriebe, Lernende und Interessierte zusammengefasst.

Warum gibt es eine KV Reform?

Berufliche Grundbildungen werden periodisch auf wirtschaftliche, technologische, ökologische und didaktische Entwicklungen überprüft und wenn nötig, angepasst. Mit der Reform «Kaufleute 2022» wird die kaufmännische Grundbildung an die Bedürfnisse des heutigen Arbeitsmarkts angepasst. Das Ziel ist die Arbeitsmarktfähigkeit der Lernenden in Zukunft sicherzustellen.

Was beinhaltet das neue Qualifikationsprofil für Kaufleute EFZ und EBA?

Die Lernergebnisse einer beruflichen Grundbildung werden in Form von Handlungskompetenzen festgelegt. Die im Qualifikationsprofil beschriebenen Handlungskompetenzbereiche bilden die Struktur der Ausbildung und des Qualifikationsverfahrens ab. Hinter dem Qualifikationsprofil und den einzelnen Handlungskompetenzen steht das Tätigkeitsprofil, welches als Ergebnis einer umfassenden Berufsfeldanalyse aus allen für die kaufmännische Grundbildung relevanten Arbeitssituationen besteht. Diese Arbeitssituationen sind detailliert beschrieben und werden durch sogenannte kritische Erfolgsfaktoren im Hinblick auf die Umsetzung konkretisiert.

Im Unterschied zum derzeit gültigen Qualifikationsprofil bestehen neu fünf Handlungskompetenzbereiche (A bis E), die für alle Lernorte identisch sind:

A Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen

B Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld

C Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen

D Gestalten von Kunden- und Lieferantenbeziehungen

E Einsetzen von Technologien der digitalen Arbeitswelt

Für die kaufmännische Grundbildung EBA stehen ebenfalls fünf Handlungskompetenzbereiche fest, welche exakt auf diejenigen der kaufmännischen Grundbildung EFZ abgestimmt sind:

A Gestalten der beruflichen und persönlichen Entwicklung

B Kommunizieren mit Personen unterschiedlicher Anspruchsgruppen

C Zusammenarbeiten in betrieblichen Arbeitsprozessen

D Betreuen von Infrastrukturen und anwenden von Applikationen

E Aufbereiten von Informationen und Inhalten

Dank der Fokussierung auf die Praxis und Schlüsselkompetenzen des Berufs sowie einer tätigkeitsbezogenen und von den Lernenden ausgehenden Herangehensweise wird die Berufsidentität gestärkt. Das ist wichtig im Hinblick auf eine erfolgreiche berufliche Integration der ausgebildeten Kaufleute in den Arbeitsmarkt. Auf der Grundlage des Qualifikationsprofils sind spezifische Vertiefungen aus Sicht der Arbeitsmarktanforderungen in den Branchen möglich. Diese Konkretisierungen sind zentral für die Kompetenzentwicklung im Rahmen von betrieblichen Anwendungssituationen und Arbeitstätigkeiten.

Wie wird die Handlungskompetenzorientierung jeweils gefördert?

Der Lehrbetrieb trägt über Praxis und Erfahrung zum Erwerb von Handlungskompetenzen bei. Die Berufsfachschulen vermitteln Berufskunde und Allgemeinbildung, die überbetrieblichen Kurse branchenspezifisches Knowhow.

Sie alle unterstützen und ergänzen gegenseitig das handlungskompetenzorientierte Lernen, indem sie:

  • sich verstärkt auf Handlungskompetenzen ausrichten (vgl. Qualifikationsprofil).
  • Aus- und Weiterbildung der Berufs-/Praxisbildner/innen, Lehrpersonen und üK-Leitende ermöglichen.
  • praxisorientierte Lehr- und Lernformen sowie Instrumente zur Unterstützung der Ausbildenden bieten.
  • die Qualifikationsverfahren ebenfalls handlungskompetenzorientiert aufbauen und neue Prüfungsformen entwickeln.

Verändert sich die Rolle als Berufs- und Praxisausbildern*in?

Ja, die Rolle verändert sich tatsächlich, denn sie wird vielschichtiger. Lehrpersonen wie auch Berufs- und Praxisbildner/innen agieren als Vorbild und als Coach, indem sie authentisch sind, beobachten, antizipieren, Empathie und Engagement zeigen und eine grosse Bereitschaft zur Veränderung aufweisen. Gleichzeitig sind sie Expert/innen und bringen ihr Fachwissen gezielt ein. Sie haben einen Wissensvorsprung und können dadurch Leistung und Kompetenzen fordern, fördern und beurteilen. Für die Lernenden sind sie zudem Coaches, unterstützen sie im Lernprozess und vermitteln Kompetenzen zur Selbstorganisation. Die Information und die Schulung der Berufsbildungsverantwortlichen an den drei Lernorten Betrieb, Berufsfachschule und üK sowie von weiteren für die Umsetzung zuständigen Personen haben eine hohe Wichtigkeit und sind bereits fortgeschritten. Weiterführende und vertiefte Informationen finden sich auf den erwähnten Websites.

Welche Vertiefungsrichtungen gibt es und weshalb?

Insgesamt gibt es folgende vier Optionen bzw. Vertiefungsrichtungen:

  1. Kommunikation mit Anspruchsgruppen in der Landessprache
  2. Kommunikation mit Anspruchsgruppen in der Fremdsprache
  3. Finanzen
  4. Technologie

Mit diesen vier Optionen wird auf die Bedürfnisse der Lehrbetriebe und auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Stärken der Lernenden eingegangen. Zudem erhalten die Auszubildenden in ihrer Vertiefungsrichtung ein stärkeres Verständnis der Thematik als mit der bisherigen Bildungsverordnung 2012. Die Berufsfeldanalyse hat gezeigt, dass es eine fachliche Differenzierung braucht. Durch die Wahl einer Vertiefungsrichtung wird praxis- und realitätsnah vermittelt. Das heisst:  Es wird keine Theorie auf Vorrat gelernt, sondern die neu erworbenen Kompetenzen können im Betrieb praktisch und konkret eingesetzt werden. Mit diesen vier Optionen wird auf die Bedürfnisse der Lehrbetriebe eingegangen und auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Stärken der Lernenden.

Wie verändert sich das Qualifikationsverfahren?

Das neue Qualifikationsverfahren wird handlungskompetenzorientiert ausgerichtet sein: Die Lernenden sollen zeigen, dass sie ihr erworbenes Können im Berufsalltag anwenden und analysieren können.

Ein erstes Konzept wurde Ende Juni 2020 veröffentlicht. Darin und im Entwurf der neuen Bildungsverordnung (8. Abschnitt) finden sich detaillierte Angaben zum QV.

Alle drei Lernorte generieren über die gesamte Lehrzeit Erfahrungsnoten, welche insgesamt 40% der QV-Gewichtung ausmachen (50% stammen aus der Berufsfachschule (inkl. Optionen und Wahlpflichtbereich) und je 25% aus dem üK sowie beruflicher Praxis).

Im Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung (60% der QV-Gewichtung) werden die Handlungskompetenzen in den nachstehenden Qualifikationsbereichen wie folgt geprüft:

  1. Abschlussprüfung Berufsfachschule / Berufskenntnisse im Umfang von 4.75 Stunden (davon 1 Stunde mündlich und 3.75 Stunden schriftlich). Die schriftlichen Prüfungen dauern damit deutlich weniger lang als bisher. Verschiedene Handlungen werden branchenübergreifend und mit vorgegebenen Hilfsmitteln und gemäss den «Ausführungsbestimmungen QV» simuliert.
  2. Abschlussprüfung Betrieb / praktische Arbeit (eine branchenspezifisch geleitete Fallarbeit) im Umfang von 50 Minuten exkl. Vorbereitung. Zur Prüfung der Berufspraxis wird es somit keine schriftliche Prüfung mehr geben. Die Umsetzung erfolgt in der Branche (nicht im Lehrbetrieb) und ebenfalls gemäss «Ausführungsbestimmungen QV».

Die gewählte Option und der Wahlpflichtbereich sind nicht Bestandteil der Abschlussprüfung, sondern der Erfahrungsnoten. Zusätzliche Kompetenznachweise (wie Sprachzertifikate, Auslandsaufenthalte, Auszeichnungen, Computerkurse, branchenspezifische Zertifikate) werden in einem persönlichen E-Portfolio mitgeführt. Die konkreten Ausführungsbestimmungen zum QV wurden erarbeitet und werden demnächst veröffentlicht.

Quelle und weitere Informationen unter https://www.skkab.ch/, https://www.okgt.ch/, https://www.kfmv.ch/

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